Schöne Bescherungen
// Alan Ayckbourn, P.: 16. November 2023, Badische Landesbühne Bruchsal
Weihnachten – das Fest der Liebe! Alle Jahre kommt man zusammen, um miteinander in Harmonie zu feiern. Und alle Jahre misslingt das katastrophal! So auch bei Belinda und Neville Bunker: Onkel Harvey will den Kindern echte Gewehre schenken. Nevilles Tante Phyllis richtet beim Kochen ein alkoholgetränktes Gemetzel an. Ihr Mann Bernard bereitet sein von allen gefürchtetes Puppentheater vor. Kumpel Eddie kümmert sich nicht um seine Kinder. Was seine erneut schwangere Ehefrau Pattie zur Verzweiflung treibt. Als der gutaussehende Clive – Schriftsteller und aktueller Liebhaber von Belindas Mutter Rachel – auftaucht, nimmt das Chaos unter dem Weihnachtsbaum lebensbedrohliche Züge an. Denn Onkel Harvey verschenkt nicht nur Waffen!
Genussvoll zerpflückt Alan Ayckbourn, der englische „Meister der Farce“, den festtäglichen Wahnsinn. Ein turbulentes Theatervergnügen mit vielschichtigen Figuren und britischem Humor.
Mit: Martin Behlert, Cornelia Heilmann, Stefan Holm, Evelyn Nagel, Nadine Pape, Lukas Maria Redemann, Alice Katharina Schmidt, Frank Siebers, Hendrik Vogt
Regie: Johanna Hasse
Bühne & Kostüme: Christian Klein
Licht: Tilo Schwarz
Dramaturgie: Fränzi Spengler
// Presse
Alle Jahre wieder wird gesoffen, geflucht und gestritten. Die Outfits sind geschmacklos, die Beziehungen lieblos, die Geschenke einfallslos und schon vor dem Überreichen kaputt. Aus der Küche dringen Rauchschwaden und Schmerzenslaute – und irgendwann knallt es. So lässt sich die Weihnachtsfarce „Schöne Bescherungen“ von Alan Ayckbourn zusammenfassen. Die Badische Landesbühne führt den über 40 Jahre alten Komödienklassiker nun mit aktuellen Akzenten auf. In der Inszenierung von Johanna Hasse muss sich das Puppentheater mit Netflix und Co. messen, und eine per Smartphone gesteuerte Alexa entfaltet ihr Nervpotenzial.
Demgegenüber bleiben Bühne und Kostüme, gestaltet von Christian Klein, ganz in den Achtzigern: Hausherr und Gastgeber Neville (Martin Behlert), der im Bastelkeller an Dingen werkelt, die die Welt nicht braucht, trägt am liebsten Karohose und Strickjacke. Seine frustrierte Frau Belinda (Alice Katharina Schmidt) bändigt Haare und Gedanken mit einem breiten Stirnband. Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und jedes Mal zu erwarten, dass sich etwas ändert – nach dieser Devise hat das Paar auch dieses Jahr zu Weihnachten Leute eingeladen, die sich nicht leiden können, und hofft auf ein friedliches Fest.
Doch der reizbare Onkel Harvey (Stefan Holm) hat angekündigt, den Kindern echte Gewehre zu schenken. Tante Phyllis (Cornelia Heilmann) ist schon beim Kochen sternhagelvoll, und ihr Mann Bernard (Frank Siebers), in seinem Beruf als Arzt ebenso eine Fehlbesetzung wie als Hobby-Autor, baut umständlich sein Puppentheater auf und probt eine langatmige Fassung von „Die drei kleinen Schweinchen“. Zur Regieassistenz hat er Pattie (Nadine Pape) verdonnert, die wieder einmal schwanger und unglücklich ist, weil ihr Mann Eddie (Hendrik Vogt), ein ewiger Versager, sich nicht für seine Familie interessiert. Zufrieden erscheint einzig Belindas Mutter, die erfolgreiche Verlegerin Rachel (Evelyn Nagel). Sie bringt ihren Liebhaber Clive (Lukas Maria Redemann) zum Fest mit.
Der Neue in der Runde, ein Schriftsteller, der auch den anderen Frauen gefällt, wirkt wie ein Katalysator, bringt die wacklige Stimmung zum Kippen und beschleunigt den Absturz ins Chaos. Wie lässt sich dieses Fest der Liebe überleben? Regisseurin Johanna Hasse setzt auf präzise choreografierte Slapstick-Szenen mit eigenwilligen Objekten, vollen Körpereinsätzen und Beinahe-Entblößungen. Das Premierenpublikum in Bruchsal hatte hörbar Spaß an Slapstick und Situationskomik. Manche mögen jemanden oder etwas aus der eigenen Familie wiedererkannt haben, manche mögen erleichtert festgestellt haben, dass Weihnachten bei ihnen zu Hause nicht ganz so schrecklich ist. Bruchsaler Rundschau, 20. November 2023
Die Handlung des Komödienklassikers spielt an den Weihnachtstagen und ist schnell erzählt: Im Haus von Belinda und Neville kommt die ganze Familie zum Fest zusammen. Mit im Gepäck sind alle denkbaren persönlichen Marotten und jede Menge Alkohol. Der fernsehbesessene Onkel Harvey möchte den Kindern echte Gewehre schenken, die meist trunkene Tante Phyllis verwüstet die Küche und ihr Gate Bernard bereitet sein berüchtigtes Puppentheater vor. Für die Kinder, wie er beteuert, doch diese erscheinen überhaupt nicht auf der Bühne. Umso besser, denn Familienfreund Eddie kümmert sich zum Leidwesen seiner zum vierten Mal schwangeren Frau nicht mal um die eigenen.
Schließlich taucht Rachel auf, im Stück Belindas Schwester – in der badischen Inszenierung ihre Mutter – und bringt ihren neuen Geliebten mit. Der junge Schriftsteller gefällt allerdings auch Phyllis und Belinda. Dadurch nimmt das Weihnachtschaos lebensbedrohliche Züge an.
Beinahe tiefgründig in der unterhaltsamen Komödie ist das doppelte Theater im Theater, in der ersten Szene als Fernsehabend, im letzten Akt als Puppentheater ohne Publikum.
43 Jahre nach der Uraufführung gehört “Schöne Bescherungen” in vielen Ländern zum jahreszeitlichen Standardrepertoire. Um die Jahrtausendwende stand die beliebte Komödie schon einmal auf dem Spielplan der Landesbühne. Die Schauspielerinnen Cornelia Heilmann und Evelyn Nagel sind in der aktuellen Inszenierung als Phyllis und Rachel zu sehen und waren schon damals dabei.
Die gesamte badische Neuinszenierung setzt auf Slapstick, Trunk und Klamauk. Insbesondere Evelyn Nagel überzeugt als eifersüchtige Mutter Rachel und Martin Belehrt stellt gemeinsam mit Hendrik Vogt völlig glaubwürdig die kindisch verspielten Faulenzer Neville und Eddie dar. Regisseurin Johanna Hasse hatte sich noch ein Update einfallen lassen. In ihrer Inszenierung sorgt “Alexa” für zusätzliche Verwirrung, wenn sie Musik einschalten oder die Beleuchtung regeln soll. Fränkische Nachrichten, 23. November 2023
Nicht nur auf der Bühne ging es wild her, auch im Publikum wurde mitgefiebert: Neun Darsteller der Badischen Landesbühne präsentierten am Dienstagabend in der Aula Alte Steige, in Wertheim eine von Witz und Chaos geprägte Inszenierung des Stücks “Schöne Bescherungen” von Alan Ayckbourn.
Die Handlung dreht sich um eine Familie, die sich zu Weihnachten trifft, um ein besinnliches Fest zu feiern, welches im scheinbar unvermeidlichen Fiasko endet.
Bevor man überhaupt die Aula betreten durfte, wurde darauf hingewiesen, dass gegen Ende des Stücks eine Schreckschusspistole zum Einsatz käme. Trotz dieser Vorwarnung rissen die zwei Schüsse, die Onkel Harvey (Stefan Holm) abfeuerte, das Publikum aus den Sitzen.
Dabei hatte das Schauspiel nett und harmonisch begonnen. Alle Akteure wurden nach und nach vorgestellt und gaben am Anfang eine Gesangseinlage von “Stille Nacht, Heilige Nacht” zum Besten. Die Kulisse, eine große Holzwohnwand mit Esstisch, Weihnachtsbaum und – ganz wichtig – Barschrank, wirkte gutbürgerlich.
Die Familie schmückt den Baum, jeder platziert seine Geschenke. Eigentlich ganz normal. Kleiner Unterschied zu den meisten anderen Familienfesten: Unter dem Baum befanden sich neben harmlosen Präsenten, wie Spielzeug und Comics, auch Waffen von Onkel Harvey. Das passt nicht allen Familienmitgliedern.
Mit kurzen Musikeinlagen gab es Szenenwechsel, die dem Publikum Zeit zum Verschnaufen gaben. Doch es ging rasant weiter zur Sache, und die Akteure hatten die Lacher auf ihrer Seite. Ob es die trockenen Witze, die – wirklich realistisch und äußerst gut dargestellten – Szenen der betrunkenen Tante Phyllis (Cornelia Heilmann) oder der hitzige Auftritt zwischen Clive (Lukas Maria Redemann) und Belinda (Alice Katharina Schmidt) war. Wobei Clive als “Flitzer” durch die Publikum Reihen stürmte und in die Pause einleitete.
Begeistern konnten sie alle. Besonders amüsierten sich die Zuschauer über das von den Familienmitgliedern verhasste Puppenspiel von Bernard (Frank Siebers). Sein nüchterner und stumpfer Versuch, eine eigene Version der “Drei kleinen Schweinchen” auf die Beine zu stellen, führte zu einer weiteren Katastrophe auf der Bühne.
Kleine Kostümwechsel sorgten für Abwechslung, wie beispielsweise Clive verkleidet als – diesmal nicht so freizügig – Weihnachtsmann. Alle neun Akteure schafften es mit großer Spielfreude und Engagement, unerwarteten Gags und passenden Requisiten, eine wirklich spaßige und unterhaltsame Aufführung zu präsentieren. Main-Echo, 23. November 2023
Wenn ein Haufen sehr unterschiedlicher Leute, die der Zufall und ihre Genetik zusammengepackt haben, einmal im Jahr an Weihnachten geballt aufeinandertreffen, sind Chaos und Gezänk sozusagen vorprogrammiert. Der festtägliche Wahnsinn bot also prima Stoff für eine deftige Farce wie “Season’s Greetings”, vorgestellt 1980 vom Meister der britischen Komödie, Alan Ayckbourn. Nicht ohne eine gute Portion Selbstironie übrigens, denn auch der Autor erinnert sich in einem Interview an legendäre Weihnachtsfeste, die grandios aus dem Ruder liefen. “Man nehme eine Landmine und umwickele sie mit etwas Lametta”, so beschreibt Ayckbourn das Grundrezept zu “Schöne Bescherungen”, das die Landesbühne in der deutschen Fassung als Weihnachtsklassiker präsentierte.
Der subtile britische Humor des Originals, das bloße Andeuten von emotionalem Aufruhr hinter einer sorgsam gehüteten Fassade, spielt bei dieser Inszenierung eine nicht ganz so entscheidende Rolle. Regisseurin Johanna Hasse inszeniert das Stück vor allem als turbulente Komödie und lässt ihren neun Darstellern viel Freiraum zum Spielen. Und Turbulenzen gibt es wahrlich genügend an diesem Weihnachtsfest im Hause von Neville und Belinda Bunker (verkörpert von Martin Belehrt und Alice Katharina Schmidt). Zu Gast sind Nevilles Tante Phyllis (deftig: Conny Heilmann als weinselige Chaosköchin) und ihr verpeilter Mann Bernard (Frank Siebers), der sich akribisch auf sein alljährliches Puppentheater vorbereitet. Weitere Festtagsgäste sind Nevilles wurschtiger Kumpel Eddie mit seiner hochschwangeren Frau Pattie und ihren drei halbwüchsigen Kids, die man allerdings nie sieht. Angesagt hat sich auch Belindas schicke Mutter Rachel (mit Stil: Evelyn Nagel) und deren junger Liebhaber Clive (Lukas Maria Redemann).
Während Phyllis also alkoholgeschwängert in der Küche die Weihnachtsente massakriert und alle anderen hektisch umeinander wuseln, um mit den letzten Vorbereitungen fertig zu werden, hockt Onkel Harvey (knallig: Stefan Holm als knarziger Waffennarr und ehemaliger Security-Mann) derweil vorm Fernseher und zieht sich Machofilme rein.
So weit so normal, aber schon das Geplänkel zwischen den Personen offenbart die Beziehungen untereinander: Während die Männer (mit Ausnahme vielleicht von Harvey) eher brave Schlaffis sind, die lieber ihren Hobbys frönen oder sich unsichtbar machen, als mit anzupacken, wirken die Ladys handfest und selbstbewusst. Man hat sich jedoch irgendwie miteinander arrangiert, die Rollen innerhalb der Paare sind verteilt und offenbar auch halbwegs akzeptiert. Als Rachel jedoch mit ihrem neuen Lover Clive auf den Plan tritt, gerät der sorgsam gepflegte Status Quo der Familie ins Rutschen. Augenblicklich wirkt der hübsche junge Schriftsteller mit seiner männlichen Attraktivität auf Rachels Tochter Belinda elektrisierend und geradezu unwiderstehlich. Und wie sich später zeigt, verfällt auch Phyllis seinem Charme mit Haut und Haar und balzt ihn unverhohlen an. Die Situation eskaliert irgendwann in einer wilden und ziemlich akrobatischen Liebesszene, bei der auch einige witzige Weihnachtsgeschenke eine interessante Rolle spielen.
Viel Gelegenheit fürLukas Maria Redemann als Clive und seine beiden “liebestollen” Partnerinnen Conny Heilmann und Alice Katharina Schmidt, es ordentlich krachen zu lassen und die absurden Verwicklungen genüsslich auszuagieren. Denn natürlich werden Belinda und Clive bei ihrem lasziven Treiben ertappt, nicht zuletzt wegen eines knallroten Flamingos aus Plüsch, der jeweils alles wiederholt, was zuletzt gesagt wurde – ein herrliches Spielzeug, das die Schauspieler sehr effektvoll einsetzen. In dem beflissenen, aber leider talentfreien Puppenspieler Bernard steckt sicher ein bisschen von Alan Ayckbourn selbst. Für den Buchstäblichen Knalleffekt in “Schöne Bescherungen” aber sorgt am Ende Onkel Harvey mit seinem Waffenfimmel. Vielleicht hätte er doch lieber Lokführer werden sollen… Rhein-Neckar-Zeitung, 4. Dezember 2023