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Oskar und die Dame in Rosa

// Eric-Emmanuel Schmitt, P.: 24. März 2005, Hans Otto Theater Potsdam

Eric-Emmanuel Schmitt ist mit diesem Monolog, seinen “Briefen an den lieben Gott” des leukämiekranken Jungen Oskar, einer Mischung aus Bericht, Erzählungen, Monologen, Dialogen zwischen Oskar, seinen Eltern, dem Arzt und Mamie Rose, ein Werk gelungen, das mal grimmig, mal lakonisch, aber stets mit Charme und Leichtigkeit die “letzten Dinge” behandelt, die auch in diesen, im Grunde schrecklichen Ereignissen schlummern. Ein bewegendes Stück, um so kostbarer, als es die Waage zwischen Witz und Sentiment hält, zwischen nüchterner Schilderung und warmherziger Erinnerung. Jeder Brief ist eine Miniatur der Melancholie, eindringlich und komisch zugleich, von denen insgesamt ein ganz eigenartiger, zwischen Authentizität und Geflunker pulsierender Sog ausgeht.

Mit: Rahel Ohm
Regie: Johanna Hasse
Bühne & Kostüm: Susanne Füller

// Presse

In “Oskar und die Dame in Rosa”, das am Donnerstag Abend Premiere hatte, geht es um das schnelle Sterben des zehnjährigen Jungen, der dank eines erzählerischen Tricks (jeder Tag ein Jahrzehnt) ein komplettes, fast überlanges Menschenleben durcheilt. An der Wand hängen zwei rosa Kittel, und ein Lichtfenster sprüht orange auf einen simplen Tisch und drei Stühle. Das Bühnenbild, das Susanne Füller unter der Regie von Johanna Hasse entwarf, nimmt sich, ebenso wie Lichtregie und Inszenierung zurück, um allein dem Monolog von Rahel Ohm das changierende Feld von Verzweiflung, Hoffnung, Liebe, Menschlichkeit und letztendlich dem tapferen Sterben des zehnjährigen Oskar zu überlassen. Und zwar nicht nur als Oskar, sondern auch als Dame in Rosa und als Erzähler. Ihr oblag die schwierige Aufgabe, das pralle Leben, das sich dem leukämiekranken Jungen innerhalb von zwölf Tagen offenbart, mit all den zugehörigen Emotionen zu interpretieren. So verlieh hauptsächlich die Stimmlage der Mimin, mal rotzfrech laut, das Dennoch des Todgeweihten markierend, mal kläglich leise, seine Angst transportierend, den unterschiedlichen Seelenlagen des Jungen Leben, und übernahm im monologischen Dialog, versichernd-beruhigend oder angeberisch-bestimmt die Tonlage der Mamie Rose.
Diese entpuppt sich als ehrenamtliche Helferin schon weit „über dem Verfallsdatum“, wie Oskar nicht gerade zimperlich feststellt, aber dennoch oder gerade deshalb eröffnet sie ihm – und nicht seine Eltern oder die Ärzte – eine Perspektive. Natürlich besitzt sie ein hohes Maß an Überzeugungskraft erst dann, als sie ihm versichert, sie sei als Catcherin die „Würgerin des Languedoc“ gewesen und habe ihre Gegnerinnen immer geschlagen. Die aus Béthune zum Beispiel – und das war Ohms größter Moment, auf dem kleinen Tisch sitzend, mit ausholenden Gesten den Kampf simulierend – habe sie kurzerhand auf den Boden geworfen und dann nur noch gerollt, denn Angriffsflächen habe diese runde Tonne nicht gehabt.
Am Ende war es, als habe der kleine Oskar den Körper von Rahel Ohm tatsächlich verlassen: Ein rosa Kittelchen unter dem Arm geklemmt verließ sie trauernd und oskarlos den Saal, um sich aber alsbald den Applaussalven der meist zufriedenen Zuschauer hinzugeben. Potsdamer Neueste Nachrichten, 26. März 2005

Damit ist auch nach gut eineinviertelstündiger Spielzeit ein schwieriges Thema ungemein unterhaltend ohne vordergründige Betroffenheit beleuchtet. Das Publikum beklatscht die Wandlungsfähigkeit von Rahel Ohm und wünscht sich für manchen Schwerkranken eine Dame in Rosa. Eine angemessene Inszenierung. Ärzte Zeitung, 12. April 2005

Es ist überflüssig, zu sagen, dass das Stück zu Tränen rührt. Bei Oskars Tod nach 75 Minuten werden im Zuschauerraum nicht zum ersten Mal Taschentücher hervorgeholt. Das liegt am Stoff, aber auch an der grandiosen Rahel Ohm. Mühelos schlüpft sie in Wortwahl und Gestik zwischen den Rollen hin und her, hat ein Auge für den großen Bogen der Erzählung und behandelt doch jede Begebenheit wie einen Schatz. Märkische Allgemeine Zeitung, 10. November 2008