La Musica Zwei
// Marguerite Duras, P.: 19. August 2011, Brotfabrik Berlin
Anlässlich des gerichtlichen Scheidungstermins treffen Anne-Marie und Michel in dem Hotel aufeinander, in dem sie zu Beginn ihrer Ehe die glücklichste Zeit miteinander verbracht haben. Mit ihrer Vergangenheit konfrontiert reißen alte Wunden auf und sie fügen sich neue hinzu. Dort, wo alles einmal angefangen hat, suchen sie nach der alten Zeit, nach sich, dem anderen, sie erinnern sich, widersprechen sich, wiederholen sich, schlagen sich, lieben sich, teilen aus, stecken ein und vermeiden – nicht immer erfolgreich – Vorwürfe und werden bei all dem immer wieder unterbrochen von ihren alten Affären und neuen Partnern. Die Annäherungen des Paares, sein gegenseitiges Sich-Entziehen und die immer neuen Anläufe, zu erinnern um zu verstehen, was war, changieren zwischen Tragik, Komik, Sentimentalität und Sarkasmus.
Mit: Nico Nothnagel, Melissa Anna Schmidt
Regie & Bühne: Johanna Hasse
Licht: Thomas Schick
// Presse
Das gescheiterte Paar trifft sich in dem Stück „La Musica Zwei“ von Marguerite Duras drei Jahre nach der Trennung in einer Provinzstadt wieder, um das Scheidungsurteil entgegen zu nehmen. Beide wohnen in dem Hotel, in dem sie einst glückliche Tage erlebten. Dann bauten sie sich ein Haus. Um so mehr Steine dafür zusammengefügt wurden, desto schneller bröckelte ihre Beziehung. Nun stehen sie sich gegenüber und fragen sich, was sie falsch gemacht haben.
Anne-Marie und Michel Roche verbringen die Nacht in der Hotelhalle – auf der Bühne durch eine lange Bank charakterisiert. Dort steht als einziger Ruhepunkt ein Aquarium. Die kleinen Fische darin fliehen einander, finden aber immer wieder zusammen. Ein schöner Kontrast zur Situation, in der sich die zwei Leute miteinander herumquälen. Sie waren sich früher zu nahe gekommen, hatten einander verletzt. Ihr Vertrauen war zerbrochen. Doch irgendetwas ist da noch zwischen ihnen. Was auch immer sie alles verband, ließ etwas in ihnen unauslöschbar zurück. Sie fühlen sich zueinander hingezogen wie voneinander abgestoßen. Es könnte noch einmal alles gut werden. Oder nicht?
Zuweilen geraten sie bei ihren Diskussionen aus der Fassung. Entweder schmelzen sie dann fast vor Zärtlichkeit dahin, dann wieder greifen sie einander körperlich an. Die Aggressivität ist von Johanna Hasse so inszeniert, dass in diesen Momenten alles gekonnt ins Tragisch-Komische kippt.
Melissa Anna Schmidt und Nico Nothnagel spielen das ausgezeichnet. Wie gut sie sich privat auch immer kennen mögen – sie flirten wunderbar miteinander. Beide sind über 30, können also Lebenserfahrung einbringen, und an schauspielerischem Können mangelt es ihnen nicht. Engagiert bringen sie sich ein, machen die Inszenierung menschlich. Ein bisschen davon, worum es hier geht, hat wohl jeder schon erlebt. Einfühlsam ist für das Stück auf der Weißenseer Brotfabrikbühne die Lichtkomposition von Thomas Schick gemacht. Unaufdringlich unterstützt er die Stimmungsschwankungen. Auch die Musik ordnet sich so ein.
Der Verlockung, das Stück von Marguerite Duras zu inszenieren, sind schon zahlreiche Regisseure gefolgt. Die erste deutsche Fassung von „La Musica“ von 1965 wurde bereits 1966 in München gezeigt. „La Musica Zwei“ von 1985 erlebte in der deutschen Übersetzung von Simon Werle seine Erstaufführung 1989 am Berliner Schillertheater. Beide Stücke waren danach immer mal wieder hier und da zu sehen.
Die von der Autorin erdachte Auseinandersetzung des Paares in der Hotelhalle kam bei ihr selbst nicht zur Ruhe. Deshalb suchte sie im zweiten Stück zum selben Paar noch 20 Jahre später eine Lösung. Ob die beiden sich wieder finden oder verstört trennen, das bleibt nach wie vor offen. Wie auch immer es die Autorin erdachte – das zu sehen und zu fühlen, ist Sache jedes einzelnen Zuschauers. Darin liegt ein unglaublicher Reiz bei diesem Stück. Neues Deutschland, 26. August 2011