Indien
// Josef Hader & Alfred Dorfer, P.: 27. Juni 2019, Theater … und so fort München. Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, mit freundlicher Unterstützung von THETA e.V., Vorpremiere am Stadttheater Weilheim am 22. Juni 2019.
Einer testet die Betten, einer die Schnitzel. Unter der Oberfläche der beiden ungleichen Protagonisten, der Hotellerie- und Gastrotester Kurt Fellner und Heinz Bösel, die im Wirtshaus über die letzten und die ersten Dinge, Schnitzel, Brandschutztüren, Frauen und ihre Ängste philosophieren, lauern lauter kleine Tragödien von einsamen Männern. Auf ihrer Dienstreise durch die Provinz, wo sie drittklassige Gasthäuser im Auftrag des Fremdenverkehrsamtes testen, verwandelt sich gegenseitige Abneigung in eine wirkliche Freundschaft, die sie bis zum tragischen Schluss verbindet.
Die beiden österreichischen Kabarettisten, Schauspieler und Autoren Josef Hader und Alfred Dorfer schrieben 1991 das Theaterstück INDIEN, das in der mehrfach ausgezeichneten Verfilmung von 1993 zum Kinoereignis wurde. In dem tragikomischen Roadmovie spielen die beiden Autoren die Protagonisten Fellner und Bösel und wurden damit schlagartig bekannt. INDIEN ist eine Tour de Force von zwei traurigen Männern und vom Ende der Träume.
Mit: Heiko Dietz, Uwe Kosubek
Regie: Johanna Hasse
Bühne & Licht: Heinz Konrad
Kostüme: Sanna Dembowski
Dramaturgie: Carmen Panknin
// Presse
“Indien” heißt die Tragikkomödie, die Johanna Hasse im “Theater …und so fort” inszeniert hat. Beruhend auf dem gleichnamigen Film der österreichischen Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dorfer verlegt sie das Stück aus Österreich in den bayrischen Wald. Die Gasthaustester sprechen ihre eigenen Dialekte Kölsch und Ruhrplatt. Die legendären Autofahrten aus dem Film ersetzt Hasse durch Geräusche: das Zuschlagen einer Autotür, Hupen, Motoraufheulen. Die Bühne besteht aus einer weißen Wand und einem Tisch mit zwei Stühlen. Ortswechsel werden durch das Umstellen der Einrichtung verdeutlicht. So schlicht wie das Bühnenbild wirken zunächst auch die Charaktere. Aber unter der Oberfläche aus Wortkargheit, Flüchen und Besserwisserei liegen lauter kleine Tragödien von einsamen Männern.
Die zwei Männer, vom Schicksal nicht gerade glimpflich behandelt, betrinken sich gemeinsam maßlos. Heiko Dietz und Uwe Kosubek spielen den Rausch so überzeugend, dass man sich fragt, ob der Schnaps auf dem Tisch nicht doch einen gewissen Alkoholgehalt hat. Wenn sie sich hysterischen Lachanfällen hingeben, lacht der Zuschauer mit. Treffen sie sich in der anschließenden Nacht auf der Toilette und unterhalten sich langatmig über ihre Verdauungs- und Ausscheidungsprobleme, hält die Tragik der ganzen Sache wieder Einzug. Als Fellner dann wegen starker Unterleibsschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert wird, weiß Bösel nicht umzugehen mit seinen Emotionen. Freundschaftliche Gefühle, die kennt er sonst gar nicht. Trotz des tragischen Endes, fühlt sich der Zuschauer an einem besseren Ort angekommen – wie in Indien. Süddeutsche Zeitung, 9. Juli 2019
Regisseurin Johanna Hasse ließ keine Szene weg und gab dem Stück doch ein eigenes Gepräge: Sie schickt die Gasthaustester nach Ostbayern und lässt Heiko Dietz und Uwe Kosubek ihre eigenen Dialekte: Kölsch und Ruhrplatt. Das Preußeln passt zur übergenauen Art des „Kurt Fellner“. Kosubek gibt dem bekennenden Beamten einen Gefühlshaushalt mit gezogener Handbremse und einem Streben nach bescheidenem Glanz. Heiko Dietz verkörpert eine Person, die sich in den Niederungen seines banalen Lebens nicht nur einrichtet, sondern sich wohlig darin suhlt. Die Aufzählung seiner Leibspeisen ist fürs Publikum genauso lustig-absurd wie auch anstrengend-monoton, ja fast ekelhaft. Die oft bis zur Qual ausgereizte Nicht-mehr-Komik ist eine Leitlinie des Stücks. Stuhlgangsprobleme, Ehekrisen oder schlicht das gnadenlose Mobbing des Kollegen: Solche Szenen werden lang und brutal thematisiert. Aber den fantastischen Darstellern gelingt oft unterschwellige Spannung. Allein Dietz’ ungeniertes Zungenbohren in den Zähnen zeigt wunderbar seine ungenierte Boss-Haltung, die fast gewalttätig wirkt. Herrlich sind die Kipp-Punkte im Stück. Genüsslich-genau findet „Fellner“ – lediglich sprachlich – seine Rache. Überzeugend wächst der gallebittere Hass-Stau zwischen den Wirtshaustestern. Intensiv platzt später das Gegenteil, ein peinlich-besoffener Lachanfall, aus den Mimen. Diese natürlich wirkende Suff-Hysterie ist eine Bühnen-Höchstleistung.
Die Szenenwechsel sind versehen mit Geräuschen vorbeifahrender Autos: Bereits eine Vorausdeutung der ewigen Wiederholung, gar Wiedergeburt – daher der Titel „Indien“. Das Schlussthema des untrennbaren Gespanns geht passend um die letzten Dinge des Lebens. Und doch gelingt gerade Heiko Dietz wieder eine Überraschung: Wie seinem”„Bösel” langsam die schmierige Hülle wegblättert, das ist punktgenau gespielt bis hin zum veränderten Bewegungsmuster. Eine bravourös umgesetzte, auf 90 Minuten konzentrierte Tragikomödie. Münchner Merkur, 28. Juni 2019
Vergessen sind Hader und Dorfer, Autofahrten durch öde Landschaften voller Pferdekopfpumpen. Das Roadmovie wird zum Kammerspiel. Ein Resopaltisch, zwei Holzstühle, eine halb ausgetrunkene Halbe und Besteck im Bierkrügel. Mehr braucht es nicht für eine recht trostlose Wirtshausstimmung. Zwischen den Szenen rücken die Schauspieler den Tisch ein wenig an die Wand, drehen ihn um 90 Grad. Passt eh: Mehr Unterschiede gibt es eh nicht zwischen Michelsneukirchen, Viechtach und Prackenbach.
Da hocken die beiden also, die im Auftrag des Fremdenverkehrskontrollamtes Waschbecken und Schnitzeltemperatur kontrollieren. Hasse entwickelt eine präzise Choreographie des Stillstands, unterbrochen von kleinen bärwurzbedingten Exzessen. Herrlich wie sie im Suff ein Halten mehr kennen und doch immer das Desolate mitschwingt: zwei einsame Männer, allein im Auftrag der Hygiene. Doch wie es in Österreich, Bayern und im Leben halt so ist, kommt all die Komik nicht ohne Tragik aus. Von all den Geschichten bleibt vor allem: der Versuch, das Leben und sein Ende irgendwie ertragbar zu machen. Ein starker, anrührender Abend. Das Original vermisst man bei Dietz und Kosubek nicht. Münchner Feuilleton, Nr. 87/Juli 2019
Regisseurin Johanna Hasse verwendet die komisch kruden Dialoge, die Hader & Dorfer für “Indien” schrieben, naturbelassen. Dabei zeigten sowohl Hasse als auch Dietz und Kosubek wenig Mitleid mit den beiden einsamen Männern. So trocken, wie man sich die Brotscheiben in den getesteten Gasthäusern vorstellt, ist der Witz, mit dem von Station zu Station die Entwicklung vom gegenseitigen Mobbing zu so etwas wie Freundschaft aufgeblättert wird. Der unentwegt plappernde, ewig verlierende Fellner und der selbstgefällige Bösel mit Boss-Attitüde zeigen sich von ihrer unangenehmsten Seite.
Erst im Vollsuff beginnt eine Annäherung, und in einer nächtlichen Begegnung an der einzigen Toilette der Pension gestehen sie sich ihre intimsten Ängste, von denen sie niemals zuvor erzählt haben. Der Glaube der Inder an die Wiedergeburt macht Fellner stärker, als er wegen Krebs ins Krankenhaus muss. Hilflos kämpft Bösel um die Zuneigung des Kranken und entwickelt fast väterliche Fürsorge für den todgeweihten Kollegen. Das alles ist leicht und schnörkellos erzählt, und doch ist es tief bewegend, wenn es ans Sterben geht. Abendzeitung München, 9. Juli 2019
Grandiose Leistung der beiden Protagonisten Heiko Dietz (Bösel) und Uwe Kosubek (Fellner). (…) Dialoge, die im chaotischen Wechsel zwischen oberflächlichen Banalitäten und tiefgründiger Absurdität brillieren. (…) Beklemmend rührend ist die Schlussszene, in der Bösel dem Verstorbenen das Keyboard in die Arme legt. Mit lang anhaltendem Applaus bedankte sich das Premierenpublikum bei Schauspielern und Regisseurin Johanna Hasse für die mitreißende Aufführung. Weilheimer Kreisbote, 28. Juni 2019