Zum Inhalt springen

Anatol

// Arthur Schnitzler, P.: 27. März 2014, Brotfabrik Berlin & im Rahmen des 100° Berlin-Festivals 2014 im Hebbel am Ufer, HAU 1 (Ausschnitt)
Gastspiele: Studio Theater Stuttgart 2014, Monsun Theater Hamburg 2015

Anatol: Ein Hypochonder der Liebe im ständigen Widerspruch zwischen leidenschaftlicher Begierde und rasender Eifersucht schaut auf die schillernden Straßen seiner Stadt. Anatol: Chaos eines unstillbaren Hungers nach Liebe, Selbstbehauptung und Einzigartigkeit in der Kurzlebigkeit urbaner Beziehungen. Schnell. Flüchtig. Fragmentarisch.

Mit: Matthias Hinz, Peter Johan, Melissa Anna Schmidt
Regie: Johanna Hasse
Bühne & Kostüme: Ann Gontarek
Dramaturgie & Licht: Thomas Schick
Video: Anja Mayer

// Presse

Mit “Anatol” bringt Johanna Hasse ein ganz besonderes Stück auf die Bühne. Es besteht aus fünf Einaktern, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Es geht um Anatol (gespielt von Matthias Hinz), der von einer Liebesbeziehung zur nächsten lebt. Dabei hat er immer die Hoffnung, die ideale, die einzig wahre Liebe zu finden. Zur Seite steht ihm sein bester Freund Max (Peter Johan). In Gesprächen, in denen Anatol wortgewandt und schwärmerisch über seine Affären und Liebschaften berichtet, ist es der scharfsinnige Skeptiker Max, der einen kühlen Kopf behält und seinem Freund immer wieder den Spiegel vorhält. Die fünf Frauen, die sich mit Anatol einlassen, werden von der wandlungsfähigen Melissa Anna Schmidt gespielt. Berliner Woche, 12. März 2014

Die Gefühlsgräben und Unzulänglichkeiten menschlicher Paarbeziehungen hat Arthur Schnitzler auf unnachahmliche Weise in Prosa gegossen. In einem Gastspiel der Brotfabrik Berlin steht “Anatol”, jener aufbrausend Liebende der Literaturgeschichte, schwankend zwischen den Aggregatszuständen Leidenschaft, Eifersucht und Freiheitsdrang, drei Tage lang auf dem Spielplan des Monsun-Theaters.
Die drei hervorragenden Schauspieler Matthias Hinz, Peter Johan und Melissa Anna Schmidt beleben diese Seinszustände auf einer weitgehend leeren Bühne mit drei Klappstühlen und viel Papier sehr tänzerisch, mit vollem Körpereinsatz. Der mit Geist, Witz aber auch übergroßer Melancholie gesegnete Anatol sucht sein Heil in flüchtigen Begegnungen und fahndet insgeheim doch nach dem Absoluten. Kann das gut gehen? In Johanna Hasses Regie zeigt sich, dass dieses schnitzlersche Frühwerk über die Kurzlebigkeit urbaner Beziehungen von zeitloser Aktualität sein kann. Hamburger Abendblatt, 29. Januar 2015

Anatol (Matthias Hinz) sammelt die Episoden seiner Liebesbeziehungen wie zu Staub gewordene Blütenblätter und tackert sie mit seinem Freund Max (Peter Johan) an die Wand. Immer wieder muss er sich beweisen, dass er die Mädchen (alle: Melissa Anna Schmidt) unter seinen Füßen zermalmen kann. Er kann über sie hinweggehen wie ein Gott, der sich immer wieder neue hübsche Blondchen nach seinem Geschmack er- und heranschaffen kann.
Max bescheinigt ihm, dass er zwar zu tausend Stimmungen aber zu keiner Liebe fähig sei. Immer beansprucht er die ewige Liebe und allumfassende Treue der Frauen für sich, gesteht den Frauen aber keinesfalls dementsprechende Ansprüche zu. Er muss schon seinen Nachschub sichern, während er die ersten Anzeichen von beginnender Langeweile in sich aufkommen spürt. Er ist nicht in die Frauen verliebt sondern in seine Eroberungsmacht und seine vermeintliche Überlegenheit.
Am Schluss muss er kläglich erkennen, dass ihm zum Glücklichsein wohl einfach der Mut fehlte. Regisseurin Johanna Hasse dient die Vorlage von Arthur Schnitzler aus dem 19. Jahrhundert zu einer höchst aktuellen Studie der Oberflächlichkeiten einer Eventgesellschaft. Im Glauben an die unendlichen Möglichkeiten, deren Vorrat an Spaß, Abenteuer und Aufregung unerschöpflich sei, hetzen Menschen von einer Beziehung in die nächste, stets auf der Suche nach dem Immer Mehr. Anatol selbst droht in der immer wieder digital neu entstehender Großstadtkulisse zu verschwinden. Seine Konturen werden für ihn ebenso ununterscheidbar wie die Frauen, die ihm doch zur Einzigartigkeit verhelfen sollten. www.hamburgtheater.de, 4. Februar 2015